Projekt: einfach.gut.beraten - aktionberatung - die peers
Projekthintergrund
In der von der Bundesrepublik Deutschland 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verpflichten sich die Vertragsstaaten u.a. eine Gesundheitsversorgung „…in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Stand (…) wie anderen Menschen…“ zur Verfügung zu stellen (Art. 25 UN-BRK).
Im Hinblick auf Habilitation und Rehabilitation sollen geeignete Maßnahmen geschaffen werden, um „…ein Höchstmaß an Unabhängigkeit im Sinne von Selbstbestimmung, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren“ (Art. 26 UN-BRK).
Die UN-BRK spricht sich zudem dafür aus, dass diese Maßnahmen „…durch die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderung…“ (engl. Originaltext: „…including through peer support…“) umfassen (Art. 26 UN-BRK).
Im Verlauf des Modellprojektes aktion:beratung (2018-2021) wurde deutlich, dass trotz aller Bemühungen zur trägerübergreifenden Kooperation, die Vermittlung von Betroffenen in der Schnittstelle Sucht- und Behindertenhilfe weiterer Aufmerksamkeit sowie weiterer Regularien bedarf. Hier spielen vor allem Schwellenängste bei den Betroffenen eine vorrangige Rolle.
Hier setzt „einfach.gut.beraten - aktionberatung – die peers“ an und entwickelt ein Schulungskonzept, um Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, die in Einrichtungen der Eingliederungshilfe wohnen oder arbeiten, zu befähigen, eigenständig Informationen zum Themenkomplex „Sucht und Suchthilfe“ weiterzugeben („Peer-Education“) und Betroffene im Rahmen einer Beschäftigtenberatung im Suchthilfesystem zu begleiten, um so das Schnittstellenmanagement zwischen Sucht- und Behindertenhilfe für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung und Abhängigkeitserkrankungen zu verbessern und Schwellenängste sowie Zugangshemmnisse abzubauen.
Ziel des Projektes einfach.gut.beraten
„einfach.gut.beraten - aktionberatung – die peers“ soll das Schnittstellenmanagement zwischen Behinderten- und Suchthilfe vereinfachen und Schwellenängsten hinsichtlich einer Kontaktaufnahme mit der örtlichen Suchthilfe bei der Zielgruppe, Menschen mit geistiger Beeinträchtigung und einer Suchtproblematik, entgegenwirken bzw. diese mindern. Dazu werden Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, die in Einrichtungen der Eingliederungshilfe arbeiten oder wohnen dahingehend geschult, eigenständig bzw. mit Unterstützung Informationsveranstaltungen für Beschäftigte der WfbM oder BewohnerInnen der Wohneinrichtung durchzuführen. Zudem werden sie befähigt eigenständig bzw. mit Unterstützung ein regelmäßiges Beratungsangebot für die WfbM-Beschäftigten oder Bewohnerinnen (z.B. in Form einer offenen Sprechstunde) anzubieten. Das Gesamtkonzept sieht eine Unterstützung der Peers und die Festigung der örtlichen Kooperation durch Fachkräfte der Behinderten- und Suchthilfe vor. Dieses Unterstützungstandem ist dann für den weiteren fachlichen Support der Peers verantwortlich.
Die notwendigen Schulungen der Peers sowie der unterstützenden Fachkräfte vor Ort werden durch ein Mitarbeitertandem aus dem Projekt „einfach.gut.beraten - aktionberatung – die peers“ durchgeführt. Das Gesamtkonzept wird in einer Arbeitsgruppe aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kooperierenden Träger und Mitgliedern von Selbstvertretungsorganisationen und –organen ausgearbeitet und an mindestens drei Standorten in Deutschland umgesetzt.
Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Gesundheit finanziell gefördert.
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Projekt aktionberatung (2018-2021)
Warum dieses Projekt?
Die Prinzipien der „Normalisierung“ und der „Selbstbestimmung“ haben dazu geführt, dass Menschen mit geistiger Behinderung stärker als noch vor 25 Jahren an der Gesellschaft partizipieren. Es erscheint paradox, dass sich mit den erweiterten Teilhabemöglichkeiten dieses Personenkreises zugleich die Gefahren für deren Gesundheit ausgeweitet haben. Zwar hat allgemein die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zugenommen, wovon nicht zuletzt auch Menschen mit geistiger Behinderung profitieren, dennoch besteht für diesen Bevölkerungsteil in der Bandbreite der gesundheitlichen Versorgung ein deutlich schlechteres Angebot. Insgesamt scheint es im Bereich der Gesundheitsvorsorge noch Entwicklungsbedarf für die Belange von geistig behinderten Menschen zu geben (vgl. Dorn et al. 2013). So auch im Bereich der Prävention und Behandlung von suchtmittelkonsumierenden Menschen mit geistiger Behinderung. Mitunter wird deren Substanzkonsum nicht als eigenständige Krankheit angesehen, so wie die eines nichtbehinderten Menschen auch, sondern als kausal bedingter Umstand der geistigen Behinderung. Die spezifischen Bedingungen, die sowohl die Genese der Erkrankung als auch deren Therapie entscheidend beeinflussen, sind für Menschen mit geistiger Behinderung nahezu unbekannt.
Für Fachkräfte, die innerhalb der Suchthilfe und der Behindertenhilfe mit substanzkonsumierenden geistig behinderten Menschen zu tun haben, existieren folglich keine Konzepte oder Handlungsanleitungen für die Prävention, Beratung und Therapie. Besonders bei Fachkräften der Behindertenhilfe besteht kein oder kaum spezifisches Fachwissen über die Alternativen zu süchtigen Verhalten.
An diesen Stellen setzt aktionberatung an und entwickelt am Modellstandort Wiesbaden exemplarisch ein Beratungskonzept für diesen Personenkreis.
Es wird ein Beratungshandbuch für Fachkräfte erarbeitet, das Implementationshilfen für die Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung enthält. Systematisch werden Informationen, Medien und didaktisch-methodische Materialien gesammelt, bewertet und für die Arbeit eingeordnet. Die spezifischen Rahmenbedingungen, insbesondere die Fort- und Weiterbildung des Fachpersonals werden so strukturiert dargestellt, dass es möglich ist, diese in einem Transformationsprozess in die eigene Arbeit zu integrieren.
Hier können Sie den Projektflyer herunterladen.
Projektziele
Handbuch für die Beratung
Ziel von aktionberatung ist es, ausgehend von bislang entwickelten Modellen zur Beratung und Therapie von suchtmittelkonsumierenden Menschen, für den Personenkreis mit geistiger Behinderung ein entsprechendes Beratungskonzept zu erarbeiten und zu erproben sowie Implementationshilfen, praxisgerechte Anleitungen und Handreichungen zu entwickeln, die den Fachkräften der Suchthilfe und den Fachkräften der Behindertenhilfe die Umsetzung und Anwendung dieser Konzeption in der täglichen Arbeit ermöglichen sollen.
Datenbank
Die in aktionberatung gewonnenen Erkenntnisse werden im Rahmen einer Datenbank gesichert und veröffentlicht. Die Datenbank wird als Informations- und Medienpool zur Suchtberatung für Menschen mit geistiger Behinderung erarbeitet und gestaltet. Er soll allen interessierten Personenkreisen via Internet zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung gestellt werden (www.aktionberatung.de).
In der Datenbank werden Arbeitsmaterialien, Medien, methodisch-didaktische Anleitungen, Informationen über kritische Substanzen und deren Wirkungen, medizinische und pharmakologische Informationen, sonderpädagogische und suchthilfespezifische Informationen für Fachkräfte der Behindertenhilfe und Suchthilfe gesammelt.
Ebenfalls sollen dort Praxisanleitungen und Ansprechpartner für die Einführung, Anwendung und Qualifizierung von Beratungskonzepten für Menschen mit geistiger Behinderung und problematischen Substanzkonsum gesammelt und bewertet werden.
Partizipation, Teilhabe und Vernetzung
Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Organisationen sind an der Entwicklung und Bewertung der Projektarbeit aktiv zu beteiligen. Dem Grundgedanken der UN-BRK folgend, werden sie von Beginn an in aktionberatung als „Experten in eigener Sache“ partizipieren und mitwirken.
Daher wird aktionberatung die Selbstvertretungsorganisationen und die Fachverbände geistig behinderter Menschen auf Bundesebene über die Projektergebnisse informieren. Diese Informationsplattformen werden durch die kooperierenden Verbände initiiert, deren Kooperationserklärungen beiliegen (s. Anlage 12)
Darüber hinaus bestehen in den Spitzen- und Fachverbänden der Freien Wohlfahrtspflege entsprechende Selbstvertretungsgremien, die über die Projektziele und –arbeit informiert werden. Die Fachverbände sind eine wichtige Zielgruppe, die Ergebnisse der Projektarbeit zu kommunizieren und weiter zu verbreiten.